Stellungnahme zum TSRRG-E des BMI vom 7. April 2009
Stellungnahme zum TSRRG-E des BMI vom 7. April 2009
Sehr geehrter Herr Bockstette,
sehr geehrter Herr Dr. Schmitz,
den Entwurf für ein Gesetz zur Reform des TSG habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen. Bevor ich auf Details eingehe, darf ich allerdings an die nach wie vor von mir favorisierte Alternative erinnern, das TSG ganz abzuschaffen und seine Regelungen in bereits existierende Gesetze einzuarbeiten; diesbezüglich verweise ich auf meine eigene Stellungnahme im Innenausschuss des Deutschen Bundestages im Februar 2007 sowie auf die Stellungnahmen von TransInterQueer e.V. (TrIQ) und dem Transgender-Netzwerk Berlin (TGNB) zum Entwurf des BMI für ein Gesetz zur Reform des Transsexuellenrechts (TSRRG) vom 16. Februar 2009.
Gleichwohl stellt der Gesetzesentwurf einen Schritt in die richtige Richtung dar; er bedarf freilich nach meiner Einschätzung an Stellen, auf die ich im Folgenden eingehen will, noch bestimmter Änderungen.
Es liegt mir die Stellungnahme des LSVD vom 10. April 2009 vor, die ich inhaltlich voll und ganz unterstütze und auf die ich an einigen Stellen Bezug nehme.
1. § 1 TSG-E
a) Problematisch ist, dass die Namensänderung nur dann zulässig sein soll, wenn eine „fortdauernde und unumkehrbare innere Überzeugung“ dem anderen Geschlecht zuzugehören, nachgewiesen ist. Überzeugungen lassen sich aber nicht beweiskräftig nachweisen, schon gar nicht durch medizinische oder andere fachwissenschaftliche Gutachten; außerdem bedeutete es eine erhebliche Verschlechterung zum geltenden Recht, denn derzeit wird nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 TSG aus guten Gründen keine Unumkehrbarkeit, sondern nur eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ gefordert; mehr als diese wäre, wie gesagt, gar nicht erreichbar.
Der Gesetzesentwurf brächte außerdem die behandelnden Ärzte in eine unangenehme Zwangsposition, indem es sie in ihrer Gutachtertätigkeit zu Aussagen nötigen könnte, die bei verantwortungsbewussten ärztlichem Denken so eindeutig nicht getroffen werden können, die sie aber aus therapeutischen Gründen für erforderlich halten. Darüber hinaus birgt die beabsichtigte Regelung die Gefahr, dass die „Arzt-Patient-Beziehung“ dadurch schwer belastet wird.
b) Des Weiteren berücksichtigt der Entwurf nicht, dass es für Betroffene, die nicht in der Lage sind, die Kosten für eine „eingehende fachärztliche Begutachtung“ aufzubringen, im Vergleich zur bisherigen Regelung erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich wird, das Verfahren durchzuführen. Verfahren nach dem TSG sind nicht selten PKH-Verfahren.
c) Mein Vorschlag ist, es bei einem vom Gericht eingeholten Gutachten zu belassen. Dies hätte den weiteren Vorteil, dass der Mediziner konkrete Beweisfragen zu beantworten hat, sprich weiß, was man von ihm will, und auch nur solche Fragen beantworten muss, die für das Verfahren erforderlich sind. Man sollte auch auf den Begriff „Zeugnis“ verzichten, denn heraus kommt im Ergebnis doch wieder ein Gutachten im Zeugniskleid.
§ 1 Abs. 1 sollte demnach so geändert werden:
Die Vornamen einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen als zugehörig empfindet, sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 wäre wie folgt zu formulieren:
... Auf Antrag nach Absatz 1 holt das Gericht ein Gutachten eines Sachverständigen ein, der auf Grund seiner Ausbildung und beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut ist. Das Gutachten hat dazu Stellung zu nehmen,
1.ob der Antragsteller die innere Überzeugung hat, nicht dem in seinem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht anzugehören, ...
§ 1 Abs. 3 Nr. 2 wäre zu streichen.
d)Die nun in § 1 Abs. 2 Nr. 4 vorgesehene Regelung bereitet den Gerichten oftmals Probleme bezüglich der Prüfung, ob das Heimatrecht des Ausländers eine dem TSG vergleichbare Regelung enthält. Unklar ist insbesondere, welche Regelungen als vergleichbar akzeptiert werden dürfen. Mein Vorschlag wäre, entweder auf dieses Erfordernis zu verzichten oder aber zumindest zu konkretisieren, was im Einzelnen als vergleichbar anzusehen ist. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass im TSG zwei unabhängige, gleichberechtigte Verfahren nebeneinander gestellt sind: die Namensänderung und die Personenstandsänderung.
2. § 3 TSG-E
a) Die nach § 3 Abs.1 S. 2 nun erforderliche Zustimmung des Familiengerichts bedeutet ebenfalls eine Verschlechterung im Verhältnis zu der jetzigen Gesetzeslage.
Gerade Transsexualität im jugendlichen Alter ist mit heftigen, auch und besonders inneren Konflikten verbunden, die sich im Abgleich mit der Umwelt niederschlagen. Im Falle der Transsexualität bei Minderjährigen liegt die primäre Verantwortung bei den Eltern und behandelnden Ärzten. Aus der praktischen Erfahrung heraus ist kein Anlass gegeben, dass die Beteiligung des Familiengerichts erforderlich wäre oder eine solche in irgendeiner Art dem Verfahren dienlich sein könnte.
§ 3 Abs. 1 S. 2 sollte deshalb gestrichen werden.
b) § 3 Abs. 2 des Entwurfes erklärt, dass Beteiligte des Verfahrens neben dem Antragsteller auch dessen Ehegatte oder Lebenspartner sind.
Der aktuelle Gesetzestext spricht hingegen nur von dem Antragsteller und dem Vertreter des öffentlichen Interesses (VöI). Weitere Beteiligte sind nicht vorgesehen. Auf die Beteiligung des VöI kann, wie der Entwurf vorsieht, verzichtet werden, weil er das Verfahren unnötigerweise verzögert.
Nicht haltbar ist allerdings die nun geforderte Beteiligung des Partners.
aa) Zum einen widerspricht diese Regelung der Intention des Gesetzgebers, die Verfahrensdauer zu verkürzen. Wenn der Entwurf auch keine überzeugenden Hinweise darauf gibt, wodurch diese Beteiligtenrechte begründet sein könnten und worin die Beteiligtenrechte des Partners überhaupt liegen sollen, so haben Ehegatte oder Lebenspartner zumindest die Möglichkeit das Verfahren durch das Einlegen von Rechtsmitteln zu verzögern. Dies ist nicht hinnehmbar!
Ein Verfahren nach dem TSG betrifft die intimste persönliche Lebenssphäre eines Menschen, seine personale Identität. Deshalb sind weitere Beteiligte am Verfahren nur dann denkbar, wenn sie unmittelbar von dieser Entscheidung betroffen werden. Dass ein Erfordernis bestehen sollte, den Partner am gerichtlichen Verfahren bereits in diesem Stadium zu beteiligen, wäre neu. Dies wurde in der Vergangenheit für die Namensänderung auch nicht ernsthaft diskutiert.
Die Tatsache, dass die Partner sich möglicherweise wünschen, enger in den Entscheidungsprozess des Antragstellers eingebunden zu sein, ist verständlich, aber streng von der Gewährung eines Beteiligtenstatus zu trennen, da es hier um die alleinigen Persönlichkeitsrechte des Antragstellers geht. Durch die Namensänderung werden keine Rechte Anderer unmittelbar betroffen.
Anmerkung: Hinsichtlich der Personenstandsänderung ergibt sich allerdings ein völlig anderes Bild; weil hier die Partner durch Ehe oder Lebenspartnerschaft unmittelbar betroffen sind, ist ihre Beteiligung dort nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig.
bb) Zudem kommt es vor, dass sich Ehen / Partnerschaften kurz vor oder während des Verfahrens „auflösen“ (ohne dass bereits eine rechtskräftige Scheidung / Aufhebung vorliegt) oder dass die Partner die Entscheidung, das Verfahren nach TSG zu durchlaufen, nicht unterstützen. Das ist nicht immer unproblematisch zwischen den Betroffenen. Daher ist es nicht sachgerecht, dem Partner – als Beteiligtem – Instrumentarien in die Hand zu geben, welche die mit der Trennungssituation einhergehenden Probleme eher ver- als entschärfen und so kontraproduktiv wirken.
cc) Die geplante Regelung verstößt somit nach meiner Einschätzung gegen das grundgesetzlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht, das u.a. einen geschützten Bereich der Privat- und Intimsphäre gewährleisten soll.
§ 3 Abs. 2 des Entwurfes sollte demzufolge gestrichen werden!
3. § 5 TSG-E
a) Im Zuge der Streichung des § 3 Abs. 2 des Entwurfes müsste § 5 Abs. 2 des Entwurfes wie folgt geändert werden.
Das Gericht hört den Antragsteller persönlich an.
b) § 5 Abs. 4 ist überflüssig und sollte gestrichen werden.
4. § 6 TSG-E
a) § 6 Abs. 2 S. 1 erklärt, dass „der Antragsteller verlangen kann, dass die neuen Vornamen in amtlichen Dokumenten und Registern verwandt werden.“ Diese Formulierung ist missverständlich. Wenn die Vornamen rechtskräftig geändert wurden, müssen die neuen Namen verwendet werden! Die Formulierung erweckt den Anschein, dass dies nur auf Verlangen des Antragstellers geschieht.
b) § 6 Abs. 2 S. 2 spricht davon, dass „die weiteren geschlechtsspezifischen Angaben, insbesondere die Anredeform, die geschlechtsbezogenen Dienst- oder Berufsbezeichnungen sowie Angaben zu Verwandtschaftsverhältnissen an das Geschlecht anzupassen sind, das dem geänderten Vornamen entspricht, wenn dadurch die Aussagekraft und der Wahrheitsgehalt des Dokumentes nicht beeinträchtigt wird.”
Es lässt sich trefflich darüber streiten, wann und ob überhaupt der Wahrheitsgehalt eines Dokumentes in rechtlicher Hinsicht durch die Änderung des Namens und / oder des Geschlechts beeinträchtigt werden kann. Wünschenswert wäre, dass die Dokumente angepasst werden, sofern keine wesentliche Beeinträchtigung zu befürchten ist.
In der jetzigen Fassung, mit Blick auf § 10 Abs. 2 des Entwurfes, befürchte ich eine Verschlechterung der Lage für jene Transsexuelle, die lediglich eine Vornamensänderung vorgenommen haben und in diesem Stadium bleiben wollen. Es muss weiterhin gesichert bleiben, dass auch in diesem Fall sämtliche Kennziffern und Dokumente problemlos dem Vornamen entsprechend angepasst werden können.
(2) Die neuen Vornamen werden in amtlichen Dokumenten und Registern verwendet. Die weiteren geschlechtsspezifischen Angaben, insbesondere die Anredeform, die geschlechtsbezogenen Dienst- oder Berufsbezeichnungen sowie Angaben zu Verwandtschaftsverhältnissen sind an das Geschlecht anzupassen, das dem geänderten Vornamen entspricht.
c) In diesem Sinne wäre auch § 6 Abs. 3 des Entwurfes zu ändern, der Hinweis auf § 6 Abs. 2 S. 2 ist zudem ausreichend, der Zusatz „soweit weit wie möglich“ entbehrlich.
(3) Amtliche Dokumente, die vor der Rechtskraft der Entscheidung über die Vornamensänderung erstellt wurden, sollen mit den neuen Vornamen neu ausgestellt werden; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
5. § 8 TSG-E
a) In § 8 Abs. 1 Nr. 1 wird Bezug auf § 1 des Entwurfes genommen. Hier müssten die Anmerkungen zu § 1 des Entwurfes übernommen werden.
Die Praxis hat gezeigt, dass die Vornamensänderung in sozialer Hinsicht der bedeutsamere Schritt ist. Die Betroffenen werden mit der Namensänderung schon als dem anderen Geschlecht zugehörig behandelt und haben einen Anspruch darauf. Es gibt nur wenige Bereiche, wo der Personenstand von Bedeutung ist. Aus diesem Grunde sehe ich keinen Anlass dafür, unterschiedliche Schwellen für § 1 und § 8 festzulegen.
b) In § 8 Abs. 1 Nr. 2 a) und b) nimmt der Entwurf Stellung zur notwendigen körperlichen Angleichung an das andere Geschlecht.
Beide im Entwurf normierten Ziffern sind nach meiner Einschätzung verfassungsrechtlich nicht haltbar.
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 den relativ unbestimmten Begriff des Geschlechts konkretisiert, indem es ausführte, dass für die Zuordnung „Geschlecht“ wesentlich ist, wie die geschlechtliche Identität selbst empfunden wird: männlich oder weiblich. Ein allein am „äußeren“ Geschlecht ausgerichtete Betrachtungsweise, wird als überholt angesehen, denn sie negiert die nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen erforderliche Einbeziehung des empfundenen Geschlechts. Diese „neuen“ wissenschaftlichen Erkenntnisse werden in dem aktuellen Entwurf leider nicht berücksichtigt.
Der Entwurf verlangt weiterhin, dass Betroffene eine einschneidende und nicht ungefährliche geschlechtsangleichende Operation durchführen lassen müssen, wenn sie den Personenstand ihrem inneren Empfinden angleichen wollen. Hier ist eine Verletzung des von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechts auf Wahrung der Intimsphäre und Geschlechtsidentität zumindest möglich.
Der Entwurf bleibt somit weit hinter den vom BVerfG eröffneten Möglichkeiten zurück und berücksichtigt nicht die Entwicklung von Geschlechtsidentität, als Ergebnis der Interaktion somatischer, psychischer und soziokultureller Faktoren.
§ 8 Abs. 1 Nr. 2 sollte somit ganz gestrichen werden, § 8 Abs. 4 wäre entsprechend zu ändern.
c) Die Stellungnahme des LSVD geht, wie ich meine zutreffend, davon aus, dass der Entwurf in § 8 Abs. 1 Nr. 3 b übersieht, dass Lebenspartnern die Fortführung ihrer Partnerschaft auch nach erfolgter Personenstandsänderung in Form der Ehe ermöglicht werden sollte. § 1306 BGB verbietet dem Wortlaut nach – neben der Lebenspartnerschaft – keine Ehe mit dem Lebenspartner, sondern nur mit einem Dritten. Hier sollte eine rechtliche Klarstellung erfolgen.
Ist man der Auffassung, dass eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein Eheverbot darstellt und die Aufhebung der Lebenspartnerschaft verlangt, so ist zu berücksichtigen, dass ebenso wie die Ehepartner die Lebenspartner sich nicht trennen, sondern zusammen bleiben wollen, sodass nach § 15 LPartG eine Aufhebung der Partnerschaft eigentlich gar nicht möglich ist. Auch hier wäre eine Klarstellung notwendig. Hier möchte ich im Weiteren auf die Ausführungen des LSVD verweisen.
6. Am Ende seien mir noch ein paar Anmerkungen zur Begründung des Entwurfes gestattet. Der Entwurf geht leider von veralteten wissenschaftlichen Forschungen aus; er negiert wichtige in den letzten Jahren gewonnene Erkenntnisse und setzt sich nicht hinreichend mit ihnen auseinander, sodass der Entwurf weit hinter dem zurückbleibt, was möglich, sogar geboten wäre. Hier möchte ich eindringlich auf die mir vorliegende Stellungnahme von Frau Dr. Annette Güldenring verweisen.
Die Abkehr vom hergebrachten Verständnis von Geschlecht, mag dies dem BMI passen oder nicht, ist aber Stand der Wissenschaft. Auch die Entscheidungen des BVerfG gehen eindeutig in diese Richtung, es kommt nicht von ungefähr, dass das BVerfG in seinen diesbezüglichen Entscheidungen konsequent auf der Linie der Sachverständigen liegt. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse – ich mag schon gar nicht mehr von „neu“ sprechen, denn wären sie Autos, könnten sie bereits abgewrackt werden – erfordern im Ergebnis aber weit reichende Änderungen der Rechtsordnung und eben gerade die Neudefinitionen von Geschlecht und im Zuge dessen eben auch von Mutterschaft und Vaterschaft. Nur so können inkonsequente und ungleiche Regelungen vermieden und aufgehoben werden. Dieser Herausforderung werden sich unsere Gesellschaft und der Gesetzgeber zwangsläufig stellen müssen!
Mit freundlichen Grüßen,
Deborah Reinert